100 Jahre: Der Plan Russland wie eine Orange zu zerlegen. Schon der deutsche Kaiser Wilhelm II. verfolgte die sogenannte Orangenschalen-Strategie. – von Ana von Keitz

Schon der deutsche Kaiser Wilhelm II. verfolgte die sogenannte Orangenschalen-Strategie.

Über die Farben-Revolutionen und die „orangene Revolution“ in der Ukraine 2004.

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Das Auswärtige Amt des Deutschen Kaiserreiches zu Beginn des I. Weltkrieges 1914 auf der Suche nach Konzepten, den Kriegsgegner Rußland zu schwächen und nach einem
gewonnenen Krieg die deutsche Hegemonie über die Territorien des damaligen Zarenreiches zu sichern:

– Einrichtung einer „Zentralstelle für Auslandsdienst“. Darin mitarbeitende Ideengeber: Paul Rohrbach, ein im Zarenreich geborener Baltendeutscher sowie Matthias Erzberger (*), Zentrumspolitiker: Rohrbach, Verfechter einer Gründung einer Ukraine als eigenständigen Staat über eine bestehende ukrainische Nationalbewegung. (Ukraine, das „Grenzland“ besetzt, assoziiert von Österreich-Ungarn, Polen und Rußland), Erzberger’s Vorstellung: „Rußland von der Ostsee als auch vom Schwarzen Meer abzuschließen.“ (Veröffentlicht in seiner Kriegszieldenkschrift vom 2. September 1914.)

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Mittel dazu:
– die „Befreiung der nichtrussischen Völkerschaften“ im Zarenreich „vom Joch des Moskowitertums (**) und Schaffung von Selbstverwaltung im Innern der einzelnen Völkerschaften.“ Damals genannt „Dekompositionstheorie“. „Alles dies unter militärischer Oberhoheit Deutschlands, vielleicht auch mit Zollunion.“;

– Minderheiten zur Rebellion gegen das Zarenreich veranlassen. Die Koordinierung oblag der „Zentralstelle für Auslandsdienst“;

– beide Vertreter plädierten für die „Zerlegung des russischen Kolosses in seine natürlichen, geschichtlichen und ethnographischen Bestandteile: Finnland, die Ostseeprovinzen, Litauen, Polen, Bessarabien, die Ukraine, der Kaukasus und Turkestan“;

– Die Vorstellung davon veranschaulichte das Bild, „daß (sich) Rußland auseinandernehmen läßt wie ein Apfelsine“ und daß dabei „bei gehöriger Vorsicht durch keinen Riß und keine Wunde ein Tropfen Saft zu fließen braucht“. Herausragend unter den Apfelsinenscheiben die Ukraine. “Wenn aber der Tag kommt, wo Rußland das Schicksal herausfordert, und dann hat zufällig dort, wo bei uns die Entscheidungen getroffen werden, jemand soviel Kenntnis von den Dingen und soviel Entschlossenheit, daß er die ukrainische Bewegung richtig loszubinden weiß – dann, ja dann könnte Rußland zertrümmert werden.“ „Wer Kiew hat, kann Rußland zwingen!“

– „Der deutsche Kaiser Wilhelm II. verfolgte die sogenannte Orangenschalen-Strategie: wie die Schale der Südfrucht vom Fruchtfleisch sollten die nichtrussischen Randgebiete von Kernrußland getrennt werden.“ (***)

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Versuchte Realisierung:
In einer Position militärischer Stärke des Deutschen Kaiserreiches gegenüber dem revolutionären Rußland Anfang 1918 wurden diese Konzepte der „Zentralstelle“ zur Zerschlagung des Zarenreichs reaktiviert = Fast zeitgleich mit dem Vertrag von Brest Litowsk mit Rußland schloß das Kaiserreich einen Vertrag mit der „Ukraine“, die als Staat noch gar nicht existierte, ab. Durch ihre Anerkennung als Vertragspartnerin wurde sie zu einem staatlichen Subjekt erhoben.
Es war geschichtlich zu früh. Im Zerfallsprozeß der Sowjetunion verkündete die Ukraine am 24. August 1991 ihre Eigenstaatlichkeit. Als eine der ersten Regierungen erkannte die Bundesrepublik Deutschland sie in aller Form an. „Orangene Revolution“ in der Ukraine 2004. Nicht ausgereift. 2013/2014 soziale Proteste in der Ukraine zum Putsch dirigiert – 2014 – In 100 Jahren von der Apfelsine zur Orange. Oder ist alles nur ein Zufall?

(*) Matthias Erzberger hat für das Deutsche Kaiserreich am 11. November 1918 in Compiègne das Waffenstillstandabkommen
unterzeichnet. Er wurde 1921 ermordet.
(**) Siehe auch Konrad Adenauer’s Vokabular in den 1950er Jahre
(***) zitiert aus „Revolutionär Seiner Majestät“ von Klaus Wiegrefe u.a, Der Spiegel 50/2007
Zitiert aus „Die ukrainische Sache“ von Jörg Kronauer, junge welt, 21. Juni 2012
Ana Barbara von Keitz, Berlin, 20. April 2014

P.S. Als ich meinen Osterspaziergang an der Oder in Frankfurt machte, kam ein Mann auf mich zu und sprach unentwegt mit einem slawischen Akzent klagend und empört auf mich ein. Um mich ihm als Wohlgesonnene zu zeigen, sprach ich in seinen Redefluß meine entdeckte „Orangen-Theorie“ hinein. Ich hatte den Eindruck, er hätte sie nicht wahrgenommen, doch als er ging, rief er: “Eßt Apfelsinen und laßt uns in Ruhe!“

(*) Matthias Erzberger hat für das Deutsche Kaiserreich am 11. November 1918 in Compiègne das Waffenstillstandabkommen
unterzeichnet. Er wurde 1921 ermordet.
(**) Siehe auch Konrad Adenauer’s Vokabular in den 1950er Jahre
(***) zitiert aus „Revolutionär Seiner Majestät“ von Klaus Wiegrefe u.a, Der Spiegel 50/2007
Zitiert aus „Die ukrainische Sache“ von Jörg Kronauer, junge welt, 21. Juni 2012
Ana Barbara von Keitz, Berlin, 20. April 2014
P.S. Als ich meinen Osterspaziergang an der Oder in Frankfurt machte, kam ein Mann auf mich zu und sprach unentwegt mit einem slawischen Akzent klagend und empört auf mich ein. Um mich ihm als Wohlgesonnene zu zeigen, sprach ich in seinen Redefluß meine entdeckte „Orangen-Theorie“ hinein. Ich hatte den Eindruck, er hätte sie nichtwahrgenommen, doch als er ging, rief er:“Eßt Apfelsinen und laßt uns in Ruhe!“

FRIEDENSVERTRAG VON BREST-LITOWSK VOM 3. MÄRZ 1918
(POLITISCHER HAUPTVERTRAG) LINK

Vor 100 Jahren
Der Brotfrieden mit der Ukraine LINK