Krankenhaus in Slawjansk durch Artilleriebeschuß beschädigt. Poroschenko und US-Botschafter: Bis zu 2000 Tote sind öffentlich vertretbar
Von Arnold Schölzel
Ukrainische Regierungstruppen beschossen am Freitag Wohnhäuser, Schulen und Kindereinrichtungen in der Stadt Slowjansk mit Artillerie. Das berichteten mehrere Medien der Ukraine und Rußlands. Sie machten keine Angaben über Tote und Verletzte. Anwohner berichteten der Kiewer Zeitung Iswestija w Ukraine, von »völlig chaotischem Feuer auf die Stadt«. Der Sender Russia Today zitierte einen Einwohner, um fünf Uhr morgens seien eine Kinderpoliklinik und der danebenliegende Empfangsbereich eines Kinderkrankenhauses getroffen worden. Auf Bildern im Internet waren schwere Zerstörungen zu sehen. Es hieß, in der Klinik seien noch einige Kinder gewesen, die in die Kellerräume des Gebäudes gebracht worden seien. Die Regierung in Kiew leugnete, daß eigene Truppen die Stadt beschossen hätten. Vielmehr hätten Aufständische das Feuer eröffnet.
Die Einwohner beklagten gegenüber Journalisten bei Telefongesprächen, daß sie von der neuen ukrainischen Regierung mit den Aufständischen »in einen Topf« geworfen würden. Es habe keine Angebote für Evakuierungen gegeben und keinerlei Unterstützung für jene Familien, denen Armee oder Luftwaffe buchstäblich das Dach über dem Kopf weggeschossen hätten. Auch aus anderen Städten der Ostukraine wurden Kämpfe gemeldet.
Auf dem zentralen Platz der Stadt Dsershinsk (etwa 50 Kilometer nördlich von Donezk, 35000 Einwohner), versammelten sich nach Angaben lokaler Medien am Freitag etwa 5000 Bergarbeiter aus der Region zu einer Protestkundgebung und verlangten das sofortige Ende der »antiterroristischen Operation« von Armee und Nationalgarde sowie Teilnahme der Aufständischen am »Runden Tisch«. Redner drohten mit einem unbefristeten Streik.
Die Machthaber in Kiew blieben unterdessen auf Bürgerkriegskurs. Verteidigungsminister Michail Kowal warf erneut Rußland vor, verdeckte militärische Einsätze auf Seiten der Rebellen zu steuern und kündigte an, das ukrainische Militär werde die Einsätze im Grenzgebiet zu Rußland fortsetzen, bis die Region »normal lebt, funktioniert und für die Menschen Ruhe herrscht«. Kowal berichtete zugleich, daß am Donnerstag zwei Armeehubschrauber vom Typ Mi-8 bei Slowjansk abgeschossen worden seien, die Besatzungen seien umgekommen. Der Sprecher der Aufständischen in der Stadt hatte erklärt, von der 14köpfigen Besatzung des einen Helikopters seien 12 verstorben, zwei schwer verletzt.
Was unter Ruhe und Normalität zu verstehen ist, deutete Milliardär Petro Poroschenko, der am 25. Mai die vorgezogene ukrainische Präsidentenwahl gewann, an. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete am Donnerstag abend unter Berufung auf eine hochrangige Quelle in Kiew,Poroschenko habe noch am Wahltag mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt den »Antiterroreinsatz« im Osten der Ukraine erörtert. Sofort nach den Konsultationen in der US-Botschaft habe er in einer Beratung mit leitenden Vertretern des Militärs und des Sicherheitsapparates ultimativ gefordert, die Gebiete Donezk und Lugansk vor seiner für den 7. Juni geplanten Amtseinführung zu »säubern«. Dabei sei als akzeptable Zahl von Toten die Ziffer 2000 genannt worden. Pyatt habe sich für aktivere Handlungen der Armee im Osten der Ukraine ausgesprochen. Für den Fall, daß die Zahl der Todesopfer zu hoch werde, habe der Botschafter versichert, daß die USA den »negativen Effekt abfedern und die internationale Reaktion werden herunterspielen können«.