Unter Protest verlassen die ersten Staaten Afrikas den von der Bundesrepublik maßgeblich unterstützten Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Seit seiner Errichtung bis Anfang 2016 habe der IStGH ausschließlich Verfahren gegen Bürger afrikanischer Staaten eröffnet, heißt es zur Begründung; trotz zahlreicher Kriegsverbrechen von Soldaten der westlichen Staaten sei kein einziger Prozess gegen diese eingeleitet worden. Tatsächlich erweist sich der Gerichtshof, wie kritische Beobachter bereits bei seiner Gründung warnten, als flexibles Instrument der mächtigen westlichen Staaten zur Disziplinierung schwächerer Länder, vor allem missliebiger Regierungen Afrikas. Wie deutsche Völkerrechtler urteilen, bleibt selbst dann, wenn wie geplant militärische Aggressionen im kommenden Jahr zum Straftatbestand erklärt werden, genügend Interpretationsspielraum, um etwa die Angriffskriege gegen Jugoslawien 1999 sowie gegen den Irak 2003 von der Strafverfolgung auszunehmen. An der Gründung des IStGH ist Deutschland führend beteiligt gewesen.
Nein, an etwas Ähnliches kann ich mich nicht erinnern. Fast eine halbe Stunde lang wurde Willy Wimmer gestern Abend live im Moskauer Studio des Fernsehkanals Rossija 24 interviewt (ab Minute 21:40 https://www.youtube.com/watch?v=hXf_DlwfVBA&feature=youtu.be&t=21m41s). Solch lange Interviews mit Politikern zur besten Sendezeit sind höchst ungewöhnlich, insbesonder bei Ausländern.
Hier ein paar Stichpunkte zur Sendung: Wimmer wurde als ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der OSZE (1994 bis 2000) und ehemaliger Bundestagsabgeordneter vorgestellt. In Deutschland gäbe es eine „sehr starke Stimmung gegen jede Art von Sanktionen“ gegen Russland, erklärte der Gast. Das Volk verstehe nicht, wozu die Sanktionen dienen, „zur Kriegsvorbereitung oder um bestimmten Staaten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen“.
Der Gast nahm Merkel in Schutz, als er sagte, wenn die Kanzlerin nicht in Minsk mit einer anderen Meinung (als der amerikanischen) aufgetreten wäre, dann „hätten wir jetzt vielleicht schon einen großen Krieg“.
Die Wahlen in den USA hätten diesen Namen nicht verdient. Das sei „wie Krieg, bei dem keine Gefangenen gemacht werden“. Der gesamte Sicherheitsapparat stehe hinter Hillary Clinton.
Deutschland habe seine Entscheidungsfreiheit an Brüssel abgegeben. Das sei nicht mehr das Europa von Kohl und Mitterand. „Europa dient nur noch den Konzernen.“
Polen und die baltischen Staaten bauten eine Mauer vor Russland auf und verhinderten damit eine Zusammenarbeit zwischen Westeuropa und Russland.
Zu den deutschen Medien: Wenn es RT und Sputnik nicht gäbe, würde man nur noch „die Kriegstrommeln“ hören. „Wir stehen zwei Schritte vor dem Abgrund.“
Zu der Frage, welche Rolle er selbst im deutschen Establishment spiele, sagte der Gast, seit dem Jugoslawien-Krieg werde seine Meinung in den deutschen Medien ignoriert. Heute versuche er zusammen mit Albrecht Müller dahin zu wirken, „dass kein Unglück über Deutschland kommt.“
Als Deutscher in Moskau war ich froh über diese nüchternen aber klaren Worte. Deutsche und russische Propaganda-Themen wie „Putins Herrschaft“ und „Flüchtlingswelle in Europa“ wurden in dem Interview nicht angeschnitten. Es ging um nüchterne Analysen, nicht um Bauch-Gefühle. Wimmer wirkte souverän und ruhig, wie ein Außenminister der guten Sache.
https://www.freitag.de/autoren/ulrich-heyden/willi-wimmer-erklaert-den-russen-die-lage