Treffen in Sotschi – Experte: „Vertrauensverlust zwischen Merkel und Putin“ (sputniknews)

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Auf einen „tiefen Vertrauensverlust zwischen Frau Merkel und Herrn Putin“ hat der Politikwissenschaftler Stefan Meister hingewiesen. So sei das exklusive Treffen zwischen den beiden in Sotschi – das erste seit zwei Jahren –praktisch das wichtigste Ergebnis an sich.

„Wie das Treffen gezeigt hat, gibt es bei grundlegenden Fragen keine Einigkeit. Bei Fragen von Demokratie, Frieden und Sicherheit in Europa – da gibt es einfach völlig unterschiedliche Positionen“, sagte Dr. Meister, Leiter des Robert Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

„Das wird auch mittelfristig so bleiben“, führte der Experte im Sputnik-Gespräch weiter aus. „Aber wir müssen trotzdem sehen, dass es ein kulturelles, gesellschaftliches, ökonomisches und energiepolitisches Fundament der deutsch-russischen Beziehung gibt. Das hilft natürlich.“

Es gebe aber auch positive Momente, die Merkel und Putin bei der Begegnung in Sotschi auch hervorgehoben haben, so Meister: „Bei den ‚weichen Themen‘ wie Energiepolitik, Wirtschaft, gesellschaftlicher Austausch war man sich einig, dass ein beidseitiger Austausch für beide Länder wichtig bleibt. Deutschland bleibt einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Russlands. Russland bleibt weiterhin wichtig als Energielieferant für Deutschland. Die gesellschaftlichen Beziehungen, die ja immer noch auf hohem Niveau sind, die funktionieren weiterhin relativ gut.“

„Aber bei den grundlegenden Konfliktfragen wie die Ukraine-Krise, dem Syrien-Konflikt, als auch bei den Fragen nach Desinformation und Manipulation öffentlicher Debatten – da ist man sich überhaupt noch nicht einig“, fügte er hinzu.

„Ich glaube, wir sind in einer der tiefsten Krisen der deutsch-russischen Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges. Wie das Treffen gezeigt hat, gibt es bei grundlegenden Fragen keine Einigkeit“, so Meister abschließend.

 

https://de.sputniknews.com/politik/20170503315623742-rahr-ueber-putin-merkel-treffen/03.05.2017

Russland-Experte Rahr: Merkel und Putin haben in Sotschi aneinander vorbei geredet

Die Erwartungen an den Besuch von Kanzlerin Merkel bei Präsident Putin waren nicht hoch. Man einigte sich auf ein konstruktives gemeinsames Treffen beim G20-Gipfel in Hamburg und auf eine weitere Zusammenarbeit im Normandie-Format zum Ukrainekonflikt. Alexander Rahr vom Deutsch-Russischen Forum sieht zumindest eine Erfüllung der Minimalvorhaben.

Herr Rahr, hat die Stippvisite Merkels bei Putin Ihrer Meinung nach etwas gebracht?

Wichtig ist, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt. Ich glaube, dass sowohl Merkel, als auch Putin ihre Minimalvorhaben erfüllt haben. Merkel hatte zwei Ziele. Erstens, der Öffentlichkeit in Deutschland zu demonstrieren, dass sie mit Putin hart reden kann. Das hat sie auf der Pressekonferenz bewiesen, als sie all diese kritischen Momente beleuchtet hat, die ja auch in den deutschen Medien heute das Russlandbild prägen, wie die Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien bis zur Verhaftung von Demonstranten bei Protesten in Russland. Das brachte ihr Applaus zuhause. Merkels zweites Ziel war die Sicherstellung, dass der G20-Gipfel funktionieren wird. Dafür hat sie sich bei Trump und nun auch bei Putin abgesichert.

Die Geschichte über Schwulenverfolgung in Tschetschenien basiert bisher im Prinzip auf einem Zeitungsartikel. Ist dies nicht eine etwas anmaßende Einmischung in die russische Innenpolitik von Seiten der Kanzlerin?

Solche Äußerungen sind eindeutig auf die deutsche Innenpolitik gerichtet. Es ist Wahlkampf. Merkel hat ja auch von hybriden Kriegen gesprochen und den schon vergessenen Fall Lisa aufgewärmt und von Manipulationen gesprochen, was viele in Deutschland nicht nachvollziehen können.

Die Kanzlerin erwähnte auch die erwiesenermaßen banale Geschichte von einer Email an die in Litauen stationierte Bundeswehr, die zu einer russischen Desinformationskampagne aufgebauscht wurde. Glaubt die Kanzlerin an so etwas oder ist sie schlecht informiert?

Ich glaube nicht, dass die Kanzlerin schlecht informiert ist. Sie weiß einfach, wie sie die innenpolitische Debatte in Deutschland für ihren Wahlkampf nutzen kann. Ich fand das auch absolut überzogen. Diese Dinge gehören nicht auf eine Pressekonferenz. Dieser Stil ist aber nicht neu bei Merkel und ich glaube, dass Putin damit umgehen kann und auch zurückschlägt. So macht jeder Politik für sein Land. Ob sich dadurch allerdings die russisch-deutschen Beziehungen verbessern werden, ist eine andere Frage.

Was hat das Treffen denn für Präsident Putin gebracht?

In den letzten Jahren wurde ja oft geschrieben, Russland sei so isoliert, niemand wolle mit Putin reden. Das kann jetzt niemand mehr sagen. Trump wird sich vielleicht noch vor dem G20-Gipfel zu einem Sondergespräch mit Putin treffen, Merkel war jetzt in Sotschi, wo sie eigentlich vorläufig nicht mehr hinfahren wollte, Erdogan kommt jetzt zum zweiten Mal nacheinander nach Russland. Viele Staatsführer geben sich jetzt in Russland die Klinke in die Hand.

Von beiden wurde die gute Rolle der Wirtschaft betont. Aber die Sanktionen kamen ja überhaupt nicht zur Sprache?

Das ist ein Trauerspiel. So kann das eigentlich nicht weitergehen. Die russische und deutsche Wirtschaft haben so viel zusammen vor, jetzt wo es in Russland wirtschaftlich wieder bergauf geht. Die deutsche Wirtschaft will das nutzen, aber kann nicht.

Im Grunde genommen haben Merkel und Putin in Sotschi aneinander vorbei geredet. Während Merkel von Menschenrechten sprach, hat Putin die Wirtschaftsbeziehungen betont. Das zeigt die Sprachlosigkeit in den derzeitigen deutsch-russischen Beziehungen. Die Russen setzen auf Interessen und Frau Merkel auf liberale Werte.

Präsident Putin hat gleich am Abend mit Präsident Trump telefoniert. Traut man sich etwa nicht, möchte sich Trump absichern, dass er nichts verpasst?

Ich denke, dass das eher ein Signal an Merkel gewesen ist von Seiten Putins, im Sinne von: Du hast mit Trump über Russland geredet und jetzt rede ich mit Trump über Deutschland. So etwas ist aber auf dem diplomatischen Parkett legitim. Putin will im Weltgeschehen mitmischen und Merkel befürchtet, dass Trump und Putin über ihren Kopf hinweg eine gemeinsame Männersprache finden und sie möglicherweise bei wichtigen Entscheidungen in Bezug auf Syrien oder die Ukraine übergehen. Letztendlich werden sich aber alle gemeinsam auf weltpolitischer Bühne in Hamburg treffen mit einem neuen französischen Präsidenten oder einer Präsidentin, mit einem Trump, der dort natürlich auftrumpfen wird, mit einem nicht mehr isolierten Putin und mit einer Gastgeberin Merkel, die hier gut moderieren muss, keine Konflikte eingehen darf, um ihre ambitionierte Agenda für das G20-Treffen durchzusetzen.

Interview: Armin Siebert