Rede für den 18. März – Laura von Wimmersperg

Der 18. März, das heutige Datum, ist ein sehr besonderes Datum, nicht nur in der Berliner, sondern in der in der deutschen Geschichte. Fragt man aber mal herum, was dieses Datum so besonders macht, können neun von 10 Befragten die Frage nicht beantworten Die wenigsten wissen, was sich heute vor 175 Jahren ereignet hatte. Dabei sind die Ereignisse dieses Tages von so großer Bedeutung, dass immer wieder gefordert wurde – auch von der Friedensbewegung – den 18. März zu unserem Nationalfeiertag zu ernennen. Das aber wurde immer wieder abgelehnt. Nur der Platz auf der Westseite des Brandenburger Tores hat es geschafft und darf sich seit dem Jahr 2000 „Platz des 18. März“ nennen.

Die meisten von Euch, die Ihr hier steht, werden die Geschichte kennen. Gestattet mir aber trotzdem, die wichtigsten Geschehnisse dieses Tages sehr verkürzt zu erzählen, um dann eine Brücke zu heute zu schlagen.

In den Jahren vor 1848 herrschte besonders in den Städten große Armut. Das Bewusstsein darüber, dass diese Armut nicht gottgewollt war und man sich wehren konnte, ja wehren musste, breitete sich seit der französischen Revolution in ganz Europa aus.

Berliner Bürger, vorwiegend aus der Unterschicht, hatten Reformvorschläge erarbeitet, die sie dem König am 18. März übergaben.

Im Vordergrund dieser Forderungen standen

  • Presse- und Meinungsfreiheit
  • Gleichberechtigung für alle Bürger
  • ein einheitlicher Deutscher Staat anstelle der Kleinstaaterei und für die Fahne, die schwarz-rot-goldenen Farben

Die Bürger warteten vor dem Schloss auf Antwort. Das königliche Militär war am Zeughaus, am Brandenburger Tor, und anderen ähnlich wichtigen Punkten postiert . Als der König auf den Balkon trat und zu den Bürgern sprach, fielen plötzlich Schüsse. Von wo und von wem ist bis heute nicht endgültig geklärt. In Panik rannten die Bürger auseinander, weg von Unter den Linden, in Viertel wie um den Gendarmenmakt, wo sie in den engeren Straßen Barrikaden errichteten und sich mit allen Mitteln gegen das anrückende Militär verteidigten. Orte des Kampfes in der Innenstadt waren z.B.die Jäger-, die Mohren und die Friedrichstr. Als der König am Abend mitteilen ließ, dass er auf die Forderungen der Bevölkerung eingehen wolle, verlangten diese, dass erst einmal alles Militär abgezogen sein müsse. Dem folgte der König.

Am Morgen brachten die Bürger ihre Toten (über 200) vom Gendarmenmarkt zum Schlossplatz . Dort bahrten sie die Toten auf und forderten vom König, ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Danach wurden die Toten im Friedrichshain beigesetzt, an dem Ort, der heute der Friedhof der Märzgefallenen heißt.

Man kann sagen, mit diesen Ereignissen vom 18./19: März 1848 ging der deutsche Feudalismus zu ende. Damit war Deutschland aber noch keine Republik und der Weg bis zum Grundgesetz war noch ein sehr weiter, beschwerlicher Weg, wie wir alle wissen.

Die Forderungen, die die Berliner Bürger 1848 erkämpften, nämlich allen voran

Presse- und Meinungsfreiheit

und
gleiche Rechte für alle Menschen

sind die kostbare Errungenschaft der bürgerlichen Revolution. Sie sind Voraussetzung und Grundlage für eine demokratische Gesellschaft, Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie und es liegt an uns, an jedem Einzelnen von uns, ebenfalls mutig für sie einzutreten, damit sie uns nicht genommen werden können.

Ich sage das, weil – wie ihr ja wisst – es der Meinungsfreiheit schon wieder an den Kragen geht. Wer die verordnete offizielle Meinung vor allem zum Ukraine-Krieg nicht teilt, sie kritisiert und dies öffentlich kundtut, wird diffamiert , bedroht und sanktioniert, ausgegrenzt, zu hohen Geldstrafen verurteilt und mit Gefängnis bedroht. Seit einigen Monaten mehren sich diese Fälle. Das schafft Unsicherheit und Angst und fördert Heuchelei und Denunziation. Kritische Medien außerhalb des Mainstreams werden an ihrer journalistischen Arbeit durch behördliche Maßnahmen behindert.

Mir ist beim Schreiben dieser kleinen Rede immer wieder das Lied „Die Gedanken sind frei“ durch den Kopf gegangen. Das Lied hat Hoffman von Fallersleben in der Zeit um 1848 geschrieben. Ich mag es, aber es ist eigentlich kein revolutionäres Lied. Die Gedanken und sind sie noch so revolutionär, wenn sie nur Gedanken bleiben und es erwachsen aus ihnen keine Taten, dann werden sie nichts verändern. Lasst uns darum furchtlos sagen, was gesagt werden muss.

In dieser Woche wurde ein Appell „Meinungsfreiheit verteidigen“ veröffentlicht, den 40 Personen unterstützen, mehrheitlich aus den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Publizistik. Sie rufen dazu auf „die grundrechtlich verbriefte Meinungs- Informations- und Pressefreiheit zu verteidigen, wo und wann immer sie eingeschränkt wird.“

Dieser Aufforderung wollen wir folgen. Tragen wir alle dazu bei, dass so viele Menschen wie möglich von diesem groben Verstoß gegen den Artikel 5 des GG erfahren, und Einschüchterung nicht funktioniert, weil wir viele sind. Nutzen wir selbstbewusst das Versprechen des Artikel 5, Absatz 1, im GG, der lautet:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

Mit diesem Versprechen ehren wir die Toten vom 18. März 1848 und erweisen ihnen unsere dankbare Anerkennung auch heute nach 175 Jahren

Im Schutz des Grundgesetzes fordere ich am Ende dieser Rede:

Rücknahme aller Anklagen, die im Zusammenhang mit der Kritik an der Kriegspolitik unserer Regierung stehen, und keine weiteren Verurteilungen in diesem Zusammenhang. Keine Kriminalisierung.

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte stehen wir alle in der Verantwortung laut und deutlich zu fordern: kein Weiter so.

Und vor allem Frieden mit Russland!

Laura v. Wimmersperg

Ich möchte, bevor ich zum 18. März spreche, noch etwas in eigener Sache sagen:

Ich spreche heute hier nicht im Namen der Berliner Friedenskoordination, sondern das, was ich sagen werde, sage ich als Laura v. Wimmersperg.

Für die, die mich nicht kennen: ich arbeite seit jetzt 43 Jahren in der Friedensbewegung. Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht konsequent der Kampf gegen Krieg und Faschismus, gegen Nationalismus und Rassismus.