UKRAINE – Offener Brief – Appell für eine verantwortliche Berichterstattung zu dem Konflikt Ukraine, Russland und EU

Offener Brief an die Medien, Presse und Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk- und
Fernsehanstalten

Liebe Medienverantwortliche,

der politische Umsturz in der Ukraine hat eine internationale Zuspitzung
ausgelöst. Die Berichterstattung spielt für den weiteren Verlauf dieses
Konfliktes zwischen der Ukraine, Russland und der EU eine wichtige Rolle. „Ist
sie ein Teil des Problems oder der Lösung?“ Diese Frage müssen sich auch die
deutschen Medien stellen.

So wie in der Politik durch Diplomatie ein Konflikt entschärft oder
militärisch verschärft werden kann tragen auch Medien die Verantwortung dafür,
ob Brücken geschlagen oder „Schützengräben“ ausgehoben werden. Fairness und
Unabhängigkeit sind Grundlagen eines professionellen Journalismus.
Ideologisierung, Schwarz-weiß-Malerei und Freund-Feind-Denken sind nicht
hilfreich für eine lösungsorientierte Berichterstattung, sowohl auf russischer
als auf deutscher/europäischer Seite.

Bei dem Studium der täglichen Berichterstattung fällt auf, dass sich weite Teile
der deutschen Medienlandschaft auf die Person des russischen Präsidenten Putin
„eingeschossen“ haben. Er ist zur „persona non grata“ erklärt,
wirklichkeitsfremd, gefährlich, machtbesessen, Kalter Krieger, Despot, Diktator
etc. Es wird auch eine Gleichsetzung Putin = Russland gemacht und bewusst
Plakate von Demonstranten in der Ukraine gezeigt, die Putin mit Hitler
vergleichen.
Dadurch wird eine antirussische Grundstimmung erzeugt. Einseitige Berichte über
Interessensgegensätze wie bei der Münchener Sicherheitskonferenz, zu Iran,
Syrien, die Ukraine oder die Bewertung der Olympischen Spiele in Sotschi sind
von antirussischen Vorurteilen geprägt. Um kein Missverständniss aufkommen zu
lassen: es geht nicht um die Verteidigung eines repressiven Systems oder
einer notwendigen und berechtigten Kritik an Menschenrechtsverletzungen in
Russland oder einer „Aufrüstungs“-Politik.

Aber im Stile: Hier die Guten im Westen und da die Bösen im Osten – wird der
Realität nicht gerecht. Eine verantwortliche Berichterstattung unterscheidet
nicht gute und schlechte Völker, sondern gute und schlechte politische
Bedingungen, die sich verändern lassen.

Die Beurteilung der Krisensituation ist von Doppelmoral gekennzeichnet. „Das
Recht des Stärkeren“ wurde von verschiedenen Regierungen über die „Stärke des
Rechtes“ gestellt – nicht nur in der Ukraine. Völkerrechtverletzungen gibt es
auf verschiedenen Seiten.

Der völkerrechtswidrige Krieg im Irak, begonnen mit Hilfe und Betrug der Medien,
kostete bis heute mehr als 100 000 Menschen das Leben. Von Sanktionen oder
anderen rechtlichen Konsequenzen für die USA und ihre Koalition der Willigen war
nie die Rede. Die Totalüberwachung durch die NSA ist eines demokratischen
Rechtsstaates unwürdig. Dass der Aufklärer Edward Snowden nur in Moskau Asyl
gefunden hat, ist auch für die europäischen Staaten beschämend.

Die Journalisten sollten sich im Jahre 2014 erinnern, dass zwei Weltkriege durch
Deutschland verursacht wurden und vor allem die russische Bevölkerung einen
hohen Preis dafür bezahlt hat. Die rechtsradikale Geschichte ist in Deutschland
auch heute noch präsent, wie die NSU-Prozesse zeigen.

Die deutsch-russischen Beziehungen sollten nicht kurzsichtig durch Politik und
Medien aufs Spiel gesetzt werden. Dies gilt für alle Seiten. Die Ukraine wurde
nun zum Interessengebiet von Europa und Russland erklärt. Ziel der Politik und
der Medien müsste es sein, nicht eskalierend, sondern vermittelnd zu wirken.
Nicht Konfrontation, sondern Vernunft und Lösungsorientierung ist das Gebot der
Stunde in der Berichterstattung. Auch die Medien, könnten durch eine
verantwortliche Berichterstattung dazu beitragen nicht den Krieg, sondern den
Frieden zu gewinnen.
Henning Zierock, Gesellschaft Kultur des Friedens

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