Freispruch von Heinrich Bücker trotz Billigung des russischen Angriffs vom Landgericht Berlin bestätigt – von Andreas Fritsche (Neues Deutschland)

Heinrich Bücker vom Anti-War-Café äußerte 2022 Verständnis für den russischen Angriff auf die Ukraine. Der Fall ist für ihn noch nicht erledigt, denn das Landgericht Berlin ließ Revision gegen den Freispruch zu.

ANDREAS FRITSCHE

Es geschah am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park: Am 22. Juni 2022 sprach Heinrich Bücker dort bei einer Veranstaltung der Friedenskoordination Berlin. Anlass war der 81. Jahrestag von Hitlers Überfall auf die Sowjetunion. In seiner Rede soll Bücker den vier Monate zuvor erfolgten russischen Angriff auf die Ukraine gebilligt und damit den öffentlichen Frieden gestört haben. Das warf die Staatsanwaltschaft dem heute 69-Jährigen vor – und nachdem das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten am 27. April 2023 freisprach, ging sie in Berufung.

Doch auch in der nächsten Instanz, vor dem Landgericht Berlin, erreichte sie nun am Montag keine Verurteilung. Denn das Gericht wies das Ansinnen zurück, Heinrich Bücker eine Geldstrafe von 2000 Euro aufzubrummen. Auch die Kosten des Verfahrens muss er nicht tragen. Die werden von der Staatskasse übernommen.

»Es ist ein Vernichtungskrieg gegen die Ukraine«, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Bückers Handlungsweise sei eine Ermutigung zu Angriffskriegen. Die Meinungsfreiheit habe Grenzen. Der Angeklagte hatte die Anschuldigung zurückgewiesen.

»Meine Einstellung gegen den Krieg ist eindeutig. Ich bin gegen alle Kriege«, betonte der Inhaber des Anti-WarCafés in Berlin-Mitte. In seiner Rede im Juni 2022 hatte er erinnert, dass im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Sowjetbürger umgekommen seien, darunter 1,5 Millionen ukrainische Juden. Ukrainische Nationalisten wie der heutzutage als Nationalheld verehrte Stepan Bandera haben mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht und Juden, Polen und pro-sowjetische Ukrainer ermordet. Solche Kräfte haben nach Bückers Überzeugung aktuell wieder Einfluss in der Ukraine.

2014 sei ein rechtsradikales Regime durch einen Putsch an die Macht gekommen. Mit solchen Kreisen sollte Deutschland nach den bitteren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nicht erneut kooperieren, argumentierte Bücker. Im Prozess führte der 69-Jährige aus, dass er die Handlungsweise des russischen Präsidenten Wladimir Putin auch deshalb verstehen könne, weil die Nato anders als 1990 versprochen immer weiter an die russischen Grenzen herangerückt sei. Auf der Internetseite des Anti-WarCafés gibt es ein Video von Beckers Rede, das am Montag im Gerichtssaal 768 vorgeführt wurde.

Dort war auch zu hören, wie in der Abmoderation der Rede Laura von Wimmersperg, das Urgestein der Friedenskoordination bemerkte: »Wir sind gegen den Krieg, aber trotzdem haben wir Verständnis …«

Bückers Verteidiger bekräftigte in seinem Plädoyer, dass sein Mandant die Ursache des Krieges in der Ukraine verstehe. Dies bedeute aber nicht, dass er den russischen Angriff befürworte. Wenn Strafen drohen, weil jemand eine Meinung vertrete, die von der Mehrheit nicht geteilt werde, so werde es schwierig. Heinrich Bücker selbst pochte auf sein Recht der freien Meinungsäußerung.

Den Anschluss der Krim an Russland hält er entgegen der in Deutschland fast einhelligen Ansicht nicht für völkerrechtswidrig. Es habe ja ein Referendum dazu gegeben. Bücker forderte, die Bundesrepublik solle der Ukraine keine Waffen liefern, ihre Soldaten nicht ausbilden und aufhören, Putin zu dämonisieren. Der Krieg, der nun schon zwei Jahre lang tobt, hätte im Übrigen nach zwei Monaten beendet sein können. Denn Russland sei bereit gewesen, seine Truppen zurückzuziehen, wenn die Ukraine darauf verzichtet hätte, der Nato beizutreten. So weit sei man in Verhandlungen in Istanbul schon gewesen.

Der in Oldenburg geborene Heinrich Bücker gehörte bei seinem Auftritt im Juni 2022 noch der Linken an. Ende 2023 ist er ausgetreten, aber nach eigenen Angaben weiterhin Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) stärkte ihm in den bisherigen juristischen Auseinandersetzungen den Rücken.

Es kamen am Montag mehr Unterstützer zum Prozess, als es Plätze für Zuschauer im Saal gab. Nach Einschätzung des Landgerichts hat Bücker in einer Passage seiner Rede am sowjetischen Ehrenmal tatsächlich den russischen Angriff vom Februar 2022 gutgeheißen. Eine Verurteilung nach Paragraf 140 des Strafgesetzbuchs wegen Billigung einer Straftat komme aber nur infrage, wenn man sicher feststellen würde, dass Bückers Äußerung wirklich dazu führe, das Klima zu vergiften. Da dies nicht festzustellen sei, handele es sich um eine straffreie Meinungsäußerung.

Zur Verdeutlichung erklärte der Vorsitzende Richter, wozu es den Paragrafen 140 eigentlich gebe. Das solle beispielsweise verhindern, dass jemand einen Amoklauf gutheißt und so zur Nachahmung aufhetzt. Als weiteres Beispiel nannte der Richter zustimmende Äußerungen zur Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch die Rote Armee Fraktion (RAF) im Jahr 1977.