Zu Drohnen: Gefährlicher Irrweg der Bundesregierung – Rede von ELSA RASSBACH, Antikriegsmarkt Berlin, 30. August, 2015

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Mit einem eklatanten Verbrechen – der Explosion von Atomwaffen über Hiroshima und Nagasaki vor siebzig Jahren – wurde sofort klar, dass sich ein der ganzen Menschheit bedrohenden Paradigmenwechsel in der Kriegsführung vollzogen hatte. Der neue Paradigmenwechsel — die weltweite Überwachung und Tötungen durch Drohnen – kommt jedoch in einem Mantel der Geheimhaltung schleichend auf uns zu.

Nur durch die Enthüllungen von mutigen NGOs, Journalisten und Whistleblowern werden wir nach und nach mit den Umrissen einer düsteren und freiheitsberaubenden neuen Welt konfrontiert, worin Alle überwacht und Alle durch Drohnen getötet werden könnten.

Ich möchte drei Beispiele nennen, die klarmachen sollen, wie rasch diese bedrohliche neue Welt auf uns zukommt.

Erstens: Am 16. August gab das Pentagon bekannt, dass die Anzahl der Kampfeinsätze von US-Drohnen über die nächsten vier Jahre um 50% erhöht werden soll. Die Überwachung und andere Einsätze werden im Irak, in Syrien, im Südchinesischen Meer, in Nordafrika, und auch auf Ukraine ausgeweitet. 2004 gab es fünf US-Drohnen-Kampfeinsätze pro Tag. Heute sind es 61, im 2019 sollen es neunzig pro Tag werden.

Zweitens: 2017 bekommt die NATO erstmalig ein eigenes Drohnen-System, das NATO-AGS (oder „Alliance Ground Surveillance“). Das NATO-AGS, bestehend vorerst aus fünf riesigen US Global Hawk Überwachungsdrohnen, ist unter dem Befehl von Ramstein und seinem Kommandeur, US-General Philip Breedlove, oberster Befehlshaber aller US-Truppen in Europa und gleichzeitig der Supreme Allied Commander von NATO in Europa. Kurioserweise bedeutet Breedlove auf deutsch „Liebe ausbrüten“! Nicht nur wird in Ramstein heftig investiert, sondern auch zum Beispiel im US-NATO-Stützpunkt in Sizilien und in Kalkar in Deutschland. Beide Basen sind letztendlich unter Befehl von Ramstein und diesem Breedlove.

Drittens: Am Donnerstag wurde berichtet dass die Polizei im US-Bundesstaat North Dakota zur Bekämpfung von Straftaten und Sicherung der Landesgrenze nun bewaffnete Drohnen — ausgestattet mit Pfefferspray, Gummigeschosse und Elektroschockpistolen — einsetzen dürfen. Elektroschockpistolen bei Polizeieinsätzen in den USA haben in den letzten Jahren Hunderte umgebracht.

Vermutlich werden Einige hier in Deutschland dem US-Beispiel folgen wollen um auch so was zu probieren. Schon jetzt setzen Polizei in vielen Ländern der Welt, auch in einigen deutschen Bundesländern, Drohnen zur Überwachung ein.

Im weltweiten Kampf gegen diese schrecklichen Entwicklungen kommt der deutschen Bevölkerung eine sehr wichtige Rolle zu. Spätestens seit der Veröffentlichung im SPIEGEL am 18. April (1) ist weitgehend bekannt geworden, dass die US Air Base Ramstein eine zentrale Rolle bei allen US-Drohneneinsätzen im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan und Pakistan, in Afrika — nun auch in Ukraine — spielt.

In dem Koalitionsvertrag der CDU, CSU, und SPD wurde festgestellt, ich zitiere: „Extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen mit bewaffneten Drohnen lehnen wir kategorisch ab.“ (2) Zitat Ende.

Wegen Ramstein im deutschen Hoheitsgebiet hat die Bundesregierung nun eigentlich die Macht, die extralegalen Drohnen-Tötungen der US-Regierung sehr zu erschweren oder sogar ganz zu stoppen. Wenn die Bundesregierung die Rechtsverletzung durch die USA duldet, wird sie Mittäterin. Und durch die Duldung der Rechtsverletzung besteht die Gefahr, dass selbst das Recht entkräftet und letztendlich bedeutungslos wird. Werden wir diesen gefährlichen Zustand endlos tolerieren?

Die neuen Initiativen der Friedensbewegung zu Ramstein sind zahlreich. Ich kann deswegen nur ein paar Beispiele hier nennen. Ende Mai veranstalteten Friedens- und Menschenrechtsaktivisten Mahnwachen in Solidarität mit Überlebenden eines CIA-Drohnen-Anschlags in Jemen, die gegen die Bundesregierung wegen der Rolle Ramsteins Klage erhoben haben. Dabei wurde ein Offener Brief zu Ramstein an die Bundeskanzlerin, unterzeichnet von zahlreichen US-Friedensaktivisten und  Organisationen, präsentiert. Im Juni fand eine Mahnwache der Fraktion DIE LINKE in Ramstein statt. Und am 25. und 26. September kommt eine bundesweite Konferenz und Demo nach Ramstein.

(Hierzu gibt es einem Stand auf dem Antikriegsmarkt, wo ihr euch informieren könnt.)

Statt Kriegsverbrechen auf deutschem Boden zu bestrafen ist die Bundesregierung schon jetzt dabei, „bewaffnungsfähige Drohnen“ UND deren Bewaffnung entweder von Israel oder USA auszuwählen. Ende 2015 oder Anfang 2016 soll im Haushaltsausschuss darüber abgestimmt werden. Die Bundesregierung bekundet auch die Absicht, in eine Reihe europäischer, deutscher und NATO Drohnenprojekte zu investieren.

Wenn die Bundesregierung sich auf diesen gefährlichen Irrweg begibt, statt sich für eine verantwortungsvolle Sicherheits- und Abrüstungspolitik einzusetzen, wird die Ausbreitung von Kampfdrohnen auf dem europäischen Festland kaum mehr aufzuhalten sein. Bis heute haben nur Israel, USA und Großbritannien Drohnen zur Tötung eingesetzt, aber Italien, Frankreich, und Holland haben alle neulich US-amerikanische bewaffnungsfähige Drohnen angeschafft.

Wir müssen diese Diskussionen zu Drohnen breiter und tiefer in die Bevölkerung bringen. Dazu haben wir die Unterschriftensammlung der Drohnen-Kampagne, die wir gerade in den kommenden Monaten kräftig unterstützen sollten. (Es gibt hier auf dem Antikriegsmarkt ein Stand zur Unterschriftensammlung, wo ihr euch informieren könnt.)

Und weil die mehrheitliche Ablehnung von Kampfdrohnen in der Bevölkerung letztendlich durch Mehrheiten im Bundestag als Gesetzgebung durchgesetzt werden muss, sollten wir gerade zu dieser wichtigen Zeit Gespräche mit Abgeordneten in möglichst allen Fraktionen im Bundestag suchen.

Unrealistisch? Ich glaube nicht. Als Beispiel dafür, dass wir diese Diskussion in einem breiteren politischen Spektrum führen könnten, als wir es gewohnt sind, möchte ich aus dem Drohnen-Beschluss des Parteitags der Berliner SPD vom Juni 2015 kurz vorlesen.

Ich zitiere: „Die SPD fordert den Einsatz von bewaffneten Drohnen, inklusive Fernsteuerung und direkter Logistik, in Deutschland und von Deutschland aus auch für stationierte Truppen anderer Staaten zu verbieten, … die öffentliche und private Forschung an bewaffneten Drohnen zu verbieten, und fordert die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, sich dafür einzusetzen, ab sofort keine Mittel für bewaffnete Drohnen zu bewilligen.“ (3) Zitat Ende. Der Antrag wurde von den Jusos in Berlin Mitte geschrieben und soll nun beim Bundesparteitag der SPD in Dezember in Berlin weiter diskutiert werden.

Als Kind im Bundesstaat Colorado in den 50er wurde ich manchmal durch furchtbare Alpträume der damals sehr realistischen Gefahr eines Atomwaffenkriegs geplagt. Doch von 1945 bis heute konnte ein weiterer Einsatz von Atomwaffen verhindert werden — und zwar nicht nur durch das Gleichgewicht des Schreckens sondern auch, vielleicht vorwiegend, durch die noch andauernde jahrzehntelange Friedensarbeit von vielen Menschen und Institutionen.

Wie die Atomwaffengegner, müssen wir in den Anti-Drohnenkampagnen uns auf einen langen weltweiten Friedenskampf einstellen. Es gibt noch keine Rüstungskontroll-Abkommen zu Drohnen, und die Gesetze, die notwendig wären, um Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern sogar in entwickelten Ländern vor Drohnen zu schützen, sind mangelhaft oder fehlen völlig.

Wir können die Entwicklung von Überwachungs- und Drohnentechnologie nicht stoppen. Aber auf unserer Seite ist die Wille der überwältigen Mehrheit der Menschen weltweit, wie in Deutschland, die den Einsatz von Drohnen für Überwachung und Tötung entschieden ablehnt. Deswegen ganz sicherlich: „We shall overcome!“

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1 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-134104206.html

2 S. 178 in http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-
koalitionsvertrag.pdf?__blob=publicationFile

3 http://parteitag.spd-berlin.de/antraege/friedenspolitik-aktiv-gestalten/

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Elsa Rassbach ist US-Bürgerin. In Deutschland ist sie eine Mitbegründerin der Drohnen-Kampagne und des Aktionsbündnisses „Stoppt den US-Drohnenkrieg via Ramstein“ und auch in der DFG-VK, Attac und der Friedenskoordination Berlin aktiv. In den USA arbeitet sie mit der Frauenfriedensorganisation Code Pink zusammen und ist Mitglied im Koordinierungskomitee der United National Antiwar Committee (UNAC). Beruflich ist sie Filmemacherin und Journalistin.

Kontakt: elsarassbach@gmail.com