13. September 2022
Zeitgeschehen im Fokus Verschiedene moderate SPD-Politiker verlangen ein Ende des Krieges und einen ernsthaften Beginn von Verhandlungen. Wie war die Reaktion auf dieses Anliegen?
Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Die Reaktion war so ähnlich wie gegenüber anderen Initiativen und Aufrufen für ein Kriegsende und Friedensverhandlungen, die es in den letzten Monaten immer wieder gab. Die Personen wurden sehr schnell niedergemacht mit Diffamierungen oder auch Distanzierung selbst von der eigenen Partei oder anderen grossen Parteien. Es gab einen Hype in den Medien, es folgten Artikel mit den Distanzierungen, aber in den letzten Tagen ist es wieder still geworden. Die niedermachenden Schlagzeilen und Kommentare wie zum Beispiel in der Bildzeitung: «Irrer Vorschlag im Ukraine-Krieg – SPD-Linke will China als Vermittler» sollten eine negative Stimmung gegenüber dem berechtigten Anliegen erzeugen.
Ist es nicht auch so, dass man auf den Inhalt eines Vorschlags gar nicht recht eingeht, sondern sofort eine Anti-Stimmung erzeugt?
Ja, es wird sofort auf die Menschen gezielt. Man distanziert sich nicht nur vom Inhalt, sondern es wird die persönliche Integrität der Person angegriffen. Das ist sehr charakteristisch. Die Abläufe sind immer ähnlich: Es gibt einen Aufruf, das wird kurz in den Medien berichtet. Daraufhin folgen die Distanzierungen und als Folge davon die persönlichen Angriffe mit Begriffen wie «Putins Sprechpuppe» oder «Sprachrohr des Kremls». Es wird mit keiner Silbe auf den Inhalt eingegangen.
Ist das typisch? Lässt sich das in der letzten Zeit immer mehr beobachten?
Ja. Ein aktuelles Beispiel zeigt das sehr deutlich und ist ausserordentlich beunruhigend. Vor einigen Tagen sass der sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer, in der Talk-Sendung «Markus Lanz». Das war eine charakteristische Konstellation. Michael Kretschmer gehört zu den wenigen, die sagen, wir müssen Wege finden, um zu Verhandlungen zu kommen. Er wurde vom Moderator, aber auch von anderen Journalisten, die eingeladen waren, unglaublich niedergemacht. Eine ZDF-Journalistin äusserte sogar allen Ernstes, dass sie dafür sei, dass der Krieg weitergehe.¹ Es wurde nicht stehengelassen, dass es einen anderen Weg geben könnte als den, den die Bundesregierung beschreitet.
Verhandlungen scheinen keine Option zu sein…
Es wird das Bild vermittelt, dass nicht verhandelt werden kann. Denn die einzige Person, die nicht verhandeln wolle, sei ja Putin. Und verhandeln wird auch immer damit gleichgesetzt, dass die Ukraine Teile ihres Territoriums preisgeben müsse. Über mehrere Minuten wird Kretschmer von allen Seiten attackiert und in die Enge getrieben. Man hat zwar den Eindruck, dass er sich wohl bewusst war, was auf ihn zukommen wird, aber dennoch ist der Vorgang ungeheuerlich. Kretschmer ist ein Bürgerlicher und gehört der CDU an. Er ist kein Linker.
Warum vertritt er diese doch eher seltene Position?
In Ostdeutschland ist die Stimmung etwas anders als im Westen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen die Sanktionen und gegen die Waffenlieferungen. In Westdeutschland ist man für beides. Es besteht tatsächlich eine Ost-West-Spaltung in Deutschland. Am Wochenende 27./28. August gab es in Dessau einen ziemlich relevanten Protest von den Handwerkern dort. Es waren 2 000 Menschen an der Demonstration. Das ist für Dessau eine stattliche Anzahl. Hier wird ziemlich mobilisiert, denn die Menschen sind direkt betroffen. Sie sehen, dass die Sanktionen vor allem ihnen schaden und auf keinen Fall der Ukraine helfen.
Wenn die Sanktionen dafür ergriffen wurden, um Russland zum Einlenken zu bringen und den Krieg zu beenden, dann muss man tatsächlich feststellen, dass die Sanktionen eigentlich nichts gebracht haben und wohl auch nichts bringen werden, oder sehen Sie das anders?
Nein, das ist ganz offensichtlich der Fall. Man sieht das ganz deutlich an der Gas-Frage. Ich bin aber nicht sicher, ob man von politischer Seite tatsächlich daran geglaubt hat, den Krieg dadurch zu verkürzen. Man hat vor allem gesagt, man wolle Russland ruinieren bzw. mehr ruinieren als sich selbst. Olaf Scholz hat sich dahingehend geäussert, dass Russland mehr leiden solle als Deutschland selbst. Damit sagt er natürlich, wir leiden auch. Wahrscheinlich unterschätzte man auch, wie stark die Auswirkungen auf Deutschland bzw. auf die EU sein werden. Hinzu kommt die reaktive Drosselung des Gases durch Gazprom. Damit hat sich die EU selbst ins Knie geschossen.
Wie sieht man das mit der Energiefrage denn in Deutschland?
Es gib eine intensive Diskussion über die Energiearmut im Winter und die sozialen Folgen, die durchaus offen diskutiert werden. Aber es wird komplett tabuisiert, dass Verhandlungen mit Russland, wie man weiter mit den Energielieferungen umgehen will, ein Lösungsbaustein sein könnten. Jeder, der in diese Richtung sich vorwagt wie die SPD-Linken oder auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmer, wird sofort von einer riesigen Horde von Journalisten und Twitter-Aktivisten diffamiert. Es wird nicht das Argument widerlegt, sondern es wird diffamiert.
Damit kann man gewisse Aspekte in der Diskussion abwürgen.
Ja, ein Argument taucht in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht auf, nämlich dass sich nur ein kleiner Teil der Welt am Wirtschaftskrieg gegen Russland beteiligt, im Kern sind das die Nato-Staaten und ihre Verbündeten. Wenn man etwa die Position der südafrikanischen Aussenministerin hört, ist das unglaublich beeindruckend. Sie lässt sich überhaupt nicht von dieser moralisch total aufgeladenen Kultur, wie sie z. B. in Deutschland zu finden ist, einschüchtern. Sie sagt, dass ihr Land es ablehne, dass ein Land ein anderes überfalle, aber die Geschichte des Ukrainekonflikts sei auch etwas komplexer. Sie werde sich nicht auf ein «Wording» einlassen, das eine spätere Verhandlungslösung erschwere, und rückt von dieser Position nicht ab. Man beteiligt sich nicht an den Sanktionen. Diese Haltung haben grosse Teile der Welt trotz massivstem Druck der USA und der EU-Staaten an den Tag gelegt. Südafrika ist da ein Beispiel. Man könnte genauso Indien, Pakistan oder Indonesien erwähnen, sowie einige lateinamerikanische Länder.
Das ist schon auffallend, dass die westlichen Staaten aufgrund dieses Drucks eingeknickt sind…
Da stellt sich mir schon die Frage, wie genau dieser Druck eigentlich funktioniert. Es läuft natürlich auch viel über die Vergiftung der Diskussionskultur. Wer aus dem engen Korridor ausbricht und Bedenken gegenüber den Sanktionen äussert, wird direkt diffamiert. Vielleicht sind Verhandlungen im Moment schwierig, aber es müsste eine Zielsetzung sein, zu Verhandlungen zu kommen, und man müsste einen Weg dorthin suchen. Das wird sofort verteufelt. Auch von meiner Partei wird gelegentlich behauptet, selbst DIE LINKE sei für Sanktionen, was jedoch überhaupt nicht stimmt. Wir habe da klare Beschlüsse gegen Sanktionen. Das wird von den Medien einfach behauptet. Das ist schon unglaublich. Die grossen Medienhäuser und die transatlantischen Netzwerke spielen dabei sicher eine entscheidende Rolle.
Was man in letzter Zeit auch verstärkt beobachten kann, ist, dass unterschiedliche Meinungen gar nicht mehr zugelassen werden. Es gibt nur noch eine Meinung, und der haben alle zu gehorchen. Wer das nicht tut, wird quasi entmenschlicht.
Das Ganze wurde massenpsychologisch bereits in der Corona-Krise und dem dortigen Diskurs vorbereitet. Damals war es auch so, dass Kritiker von Impfpflicht oder bestimmten Massnahmen, aber auch die, die auf Evidenz, auf Wissenschaftlichkeit bestanden haben, mit dem völlig dehnbaren Begriff des «Querdenkers» delegitimiert wurden und nach wie vor werden. Diese Menschen wurden praktisch als potentielle Mörder dargestellt, die angeblich so viele Tote in Kauf nehmen würden. Ich denke da zum Beispiel an die Twitter-Kampagne gegen den Virologen Henrik Streek, der sich heute völlig zurückgezogen hat. Unter dem Kaugummibegriff des «Querdenkers» lässt sich alles subsumieren, weil er nicht klar definiert ist. Der Terrorismusbegriff von Erdogan, der von der EU kritisiert wird, ist vergleichsweise präziser als der Querdenkerbegriff.
Wird nicht immer wieder versucht, mit Schlagwörtern unliebsame Menschen ins gesellschaftliche Abseits zu drängen?
Ja, ein Begriff, der neu auftaucht, ist, «rechtsoffen» zu sein. Das ist ein neuer Kampfbegriff aus der pseudolinken Szene. Mir wird niemand vorwerfen können, ich stünde politisch rechts. Das ist zu abwegig, aber «rechtsoffen» wird genauso diffamierend verwendet. Das heisst, dass ich mit jemandem rede, der vor fünf Jahren vielleicht einmal neben einem sass, einem, der politisch rechts stand. Das sind neue Kampf-Begriffe, die wirken. Dazu gehört auch der Begriff des «Verschwörungstheoretikers». Das ist ein Denunziationsbegriff, der völlig dehnbar ist und überhaupt nicht präzisiert wird. Aber es reicht, das zu sagen, dann ist man unten durch. Es blockiert das Nachdenken darüber, dass bestimmte Gruppen im Hintergrund wirken, die eindeutige Interessen vertreten.
Wenn solch eine Diffamierung im Raum steht, ist keine Diskussion mehr möglich. Niemand macht sich mehr Gedanken darüber, was ein anderer gesagt hat. Warum ist das heute so, dass man den wissenschaftlichen Diskurs, der gerade in einer Demokratie ausserordentlich wichtig ist, nicht mehr führen kann?
Das hat sicher mehrere Gründe. Natürlich geht es hier um handfeste Interessen. Die spielen auch in der Kriegsfrage eine wichtige Rolle. Bei Corona ist es der Pharma-digitale Komplex. Es war auffallend, dass die Big-Tech-Firmen wie Youtube, Google etc. das Coronanarrativ massiv gepuscht haben. Beiträge, die nicht ihrer Auffassung entsprachen, wurden markiert und zum Teil auch gelöscht. Auch auf anderen Kanälen wurden Beiträge, Berichte oder Videos einfach gelöscht. Das ist ein Vorgang, der überhaupt nicht angemessen reflektiert wird. Was bedeutet das, wenn ein paar private Big-Tech-Konzerne die Macht haben, den Diskurs in der westlichen Welt zu steuern? Auffällig ist hierbei, dass von Seiten dieser grossen Konzerne, den Big-Techs, massiv an einem Strang gezogen wurde. Offensichtlich spielen hierbei grosse Interessen eine Rolle. Da wird noch viel aufzuarbeiten sein, um das hundertprozentig zu verstehen.
Was vermuten Sie?
Vielleicht befinden wir uns in einem Übergang zu einem autoritären Überwachungskapitalismus.
Wie meinen Sie das?
Politisch bin ich vor allem durch den Neoliberalismus geprägt, der in den 90er und Beginn der 2000er Jahre dem Dogma der Privatisierung unterlag. Es wurde argumentiert, das tue allen gut und allen gehe es am Ende besser. Irgendetwas verschiebt sich hier aber gerade. Die Hegemonie des Neoliberalismus ist nicht mehr unangefochten. Es werden Instrumente eines neuen Überwachungssystems implementiert. Mit dem QR-Code zum Beispiel ist man schon sehr weit fortgeschritten. In ein, zwei Jahren hat man ein unglaubliches System aufgebaut. Ganz grosse Interessen spielen hier eine Rolle, die man wahrscheinlich noch gar nicht vollständig durchschauen kann.
Wenn es in diese Richtung gehen soll, dann ist keine freie Auseinandersetzung zum Beispiel im Suchen nach der besten Lösung möglich…
Ja, es ist doch auffallend, dass im Zusammenhang mit Corona von Anfang an nur ein Weg eingeschlagen wurde, und zwar noch lange bevor Impfstoffe entwickelt waren. Also noch während des Lock-Downs, ein Impfstoff lag noch in weiter Ferne – die «Wissenschaft» sprach von 5 bis 10 Jahren Entwicklungszeit – wurde immer wieder betont, der Ausweg aus der Bedrohung sei nur die Impfung. Die grösste Barriere für das Virus aber bleibt unser Immunsystem. Das reicht manchmal nicht aus, dann muss man mit Medikamenten oder Impfstoffen nachhelfen, das ist ja äusserst sinnvoll. Dazu gehören aber auch eine gute Ernährung und genügend Bewegung, denn das Immunsystem ist das Wichtigste, was wir haben. Aber das wurde komplett ausgeblendet. Auch wenn die anfänglichen Covid-Virusvarianten gefährlicher waren, als etwa eine saisonale Grippe, ist doch ein überwiegender Teil der Menschen damit fertiggeworden und das dank des Immunsystems. Es wäre doch angesagt gewesen, sich damit zu befassen, wie man die natürliche Immunität der Menschen stärken kann.
Das hat man aber kaum getan, im Gegenteil, indem man in manchen Ländern die Bewegungsfreiheit der Menschen eingeschränkt und zum Beispiel die Fitness-Center geschlossen hatte.
Ja, das ist doch alles ganz sonderbar, und deshalb stellt sich einem schon die Frage, was steckt dahinter? Was sind da für Interessen im Spiel? Man hat den neuen Impfstoff propagiert und verkauft. Dabei ist ganz sicher von Bedeutung, wer die neue Technologie, also den mRNA-Impfstoff, kontrolliert. Manche vergleichen das schon in der Dimension mit der Kontrolle der Atomspaltung. In Deutschland geht es sehr stark darum, endlich einmal führend in einer neuen Technologie zu sein. Man war an der Entwicklung des mRNA-Impfstoffs beteiligt und steht damit an der Weltspitze. Man arbeitet seit vielen Jahren daran, aber Corona hat erst die Möglichkeit zum Durchbruch eröffnet.
Aber das ganze Impfszenario scheint ja ein «Rohrkrepierer» zu sein, denn trotz Impfung erkranken die Menschen reihenweise, einmal ganz abgesehen von den Nebenwirkungen.
Es stellt sich tatsächlich immer mehr heraus, dass der Impfstoff in keiner Weise hält, was man uns versprochen hat. Man sprach am Anfang von einer sterilen Immunität, sogar von 90%igem Schutz war anfänglich die Rede. Danach änderte man es auf «Schutz vor schweren Verläufen». Montgomery, der Chef des Weltärzteverbands, sprach von der «Tyrannei der Ungeimpften», weil man propagierte, durch die Impfung werde die Infektionskette unterbrochen. Was da an Stimmungsmache geschah, das darf man nicht vergessen! Heute spricht niemand mehr davon, dass die Impfung die Infektionskette durchbreche. Die natürliche Entwicklung eines Virus ist, dass es sich schneller verbreitet, aber die Verläufe weniger heftig sind. Und dass das pandemische Stadium überwunden wird, ist zum guten Teil dieser Entwicklung geschuldet und nicht einem mRNA-Impfstoff.
In vielen Ländern lief es nach diesem Schema ab, und das ist schon sehr auffallend. Ein sachlicher, auf Fakten basierter Diskurs kam nicht wirklich zustande. Man liess zwar immer wieder Experten zu Wort kommen, aber nur solche, die in die gleiche Richtung zogen. Namhafte Wissenschaftler kamen nicht mehr öffentlich zu Wort.
Was in dem Zusammenhang auch interessant und in Deutschland bekannt geworden ist, ist, dass es das Projekt «Gegneranalyse» gibt, vom Zentrum «Liberale Moderne». Es handelt sich hierbei um eine Stiftung, die vom rechten Flügel der Grünen gegründet worden ist. Diese Stiftung hat 5 Millionen Euro aus verschiedenen Ministerien bekommen, insbesondere aus dem Familienministerium.
Das sind doch Steuergelder?
Ja, klar, das sind Steuergelder. Und diese Stiftung hat ein Projekt, das nennt sich «Gegneranalyse». Man beschäftigt sich damit, was die Demokratie bedrohe. In dem Zusammenhang haben sie ein Internetportal ins Visier genommen, und zwar die «Nachdenkseiten», die in der Corona-Frage eine kritische Position eingenommen haben. Es wird also eine den Grünen nahe Stiftung mit Millionen von Steuergeldern zur Diffamierung eines kleinen, unabhängigen und politisch links ausgerichteten Informationsportals finanziert. Diffamiert wird es mit dem Begriff des Verschwörungsmediums. Es ist ein ungeheurer Vorgang.
Dazu passt doch, dass die EU ein Gesetz gegen «Fake-News» erlassen will, um die alternativen Nachrichtenportale, die oft aus einer anderen Perspektive berichten, auszuschalten…
Ja, dazu gehört auch der sogenannte «Faktenchecker». In den grossen Medien sind diese in den letzten Jahren entwickelt worden, die selbst den Fakten nicht standhalten.
Ja, es ist tatsächlich auf der EU-Ebene einiges im Gange. Man muss schon sehen, dass diese Diffamierungen, wie sie die «Nachdenkseiten» erfahren haben, am Schluss noch mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Meinungsfreiheit war nie eine deutsche Erfindung und kommt eher aus Frankreich oder der Schweiz. Aber der allgemeine Zustand, was die öffentliche Diskussion und den demokratischen Diskurs anbetrifft, ist gegenwärtig sehr schlecht, auch für deutsche Verhältnisse.
Herr Bundestagsabgeordneter Hunko, ich danke für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …