25. April 2020
Krisen werden von Mächtigen ausgenutzt, aber dass sie die Corona-Krise mit allen katastrophalen Folgen bewusst inszenieren, erscheint Diana Johnstone wenig plausibel. Übersetzung des auf Consortiumnews.com erschienenen Artikels von Susanne Hofmann.
Telepolis, 25.April 2020
COVID-19: Der Coronavirus und die Zivilisation
Ausgangssperren sind ein Ausdruck von Hilflosigkeit, nicht von Stärke, besonders in Deutschland verbreiten alternative Medien, dass die Corona-Krise ein aus finsteren Motiven fabrizierter Fake ist
Von Diana Johnstone
Je länger die strenge Ausgangsbeschränkung währt, desto mehr finden selbst Menschen, die in Liebe verbunden sind, einander unerträglich. Im größeren Rahmen gehen in dieser verrückten Massen-Ausgangsbeschränkung Menschen, die die Ablehnung der Lügen unserer kriminellen Herrscher eint, sich gegenseitig an die Gurgel. Der Grund: Sie interpretieren das, was wer warum tut, unterschiedlich.
Dies spielt sich in den alternativen Medien ab, insbesondere in Deutschland. Anscheinend glauben viele kritische politische Analysten, dass die Corona-Krise ein Fake ist, fabriziert von Medien und Regierungen aus finsteren Motiven. Sie rufen zu Protestdemonstrationen gegen die Ausgangsbeschränkung auf.
Ich kann nicht umhin, darin die Besessenheit bestimmter Oppositioneller zu sehen, sich selbst als gute „anti-autoritäre“ Deutsche zu beweisen, die sich dem Nazismus nie gebeugt hätten. Doch ist diese Geltendmachung individueller Freiheit inmitten einer Krise der öffentlichen Gesundheit angebracht?
Die Grenzen der Macht
Kluge Menschen möchten natürlich hinter allem, was geschieht, ein Motiv finden. Früher mögen solche Menschen Theologen gewesen sein, die die höchst mysteriöse Weise erklärten, mit der Gott seinen kosmischen Plan umsetzt. Eine Flut, eine Seuche, ein Erdbeben? Dafür musste es einen Grund geben, einen Beweggrund aus menschlicher Sicht. Der Allmächtige bestrafte seine sündige Herde and zeigt ihr, wer der Boss ist.
Heute sind etliche Kommentatoren in den alternativen Medien bereit, an die Allmacht nicht Gottes, sondern des Mammon zu glauben, an die Allmacht der Wallstreet und ihrer Partner in Politik, Medien und Militär. Aus dieser Perspektive geschieht nichts Wesentliches, das nicht von den irdischen Mächten aus Eigennutz geplant worden wäre.
Der Mammon zerstört die Wirtschaft, damit einige wenige Oligarchen alles besitzen. Oder: Der Mammon hat den Covid-19-Schwindel ersonnen, um uns alle einzusperren und uns auch noch des letzten bisschen Freiheit zu berauben. Oder der Mammon bedient sich schließlich des Virus, um einen Vorwand zu haben, uns alle mit geheimen Substanzen zu impfen und uns in Zombies zu verwandeln.
Ist das glaubhaft? In gewisser Weise, ja. Wir wissen, dass der Mammon skrupellos und in moralischer Hinsicht aller Verbrechen fähig ist. Doch es passieren sehr wohl Dinge, die der Mammon nicht geplant hat, wie zum Beispiel Erdbeben, Fluten oder Seuchen. Die Abneigung gegen unsere herrschende Klasse zusammen mit der Abneigung gegen das Eingesperrtsein führt zur Gleichung: „Sie“ benutzen diese (erfundene) Krise nur, um uns einzusperren!
Doch wozu? Für wen ist es von Vorteil, die Bevölkerung einzusperren? Aus reiner Genugtuung sich selbst zu sagen: „Ah, jetzt haben wir sie da, wo wir sie haben wollten, alle zuhause eingebuchtet!“ Will man so einen Volksaufstand unterdrücken? Welchen Volksaufstand? Wozu sollte man Menschen unterdrücken, die gar nichts tun, was man unterdrücken müsste?
Wozu eine Bevölkerung einsperren – und hier denke ich besonders an die Vereinigten Staaten -, die uneinig, unorganisiert, völlig verwirrt ist aufgrund ideologischer Indoktrination, die ihr seit Generationen weismacht, ihr Land sei in jeder Hinsicht „das beste“, und die deshalb außerstande ist, kohärente Forderungen an ein System zu formulieren, das sie rücksichtslos ausbeutet? Muss man seinen treuen Schoßhund einsperren, damit er einen nicht beißt?
Wenn überhaupt, dann könnte das Trauma dieser Situation tatsächlich eine schläfrige Bevölkerung veranlassen, sich der dringenden Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft bewusst zu werden. Die Vorstellung, dass die Gefahr besteht, dieser Lockdown könnte von Dauer sein, ist vollkommen unrealistisch und widerspricht jeder Erfahrung früherer Lockdowns. Im Gegenteil – eine verlängerte Ausgangssperre führt höchstwahrscheinlich zu Explosionen. Die Frage ist, können diese Explosionen konstruktiv sein?
Geblendet von der Hybris
Statt die Allmacht des Mammon zu beklagen, wäre es konstruktiver, nach Rissen in seiner Rüstung zu suchen, nach seinen Schwächen, nach Möglichkeiten ihn massiv zu diskreditieren, anzuprangern und zu besiegen.
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