16. Juli 2019
, 15.07.2019
Mit deutlichen Worten kritisieren Politiker und Experten Behauptungen in der „Welt am Sonntag“ vom 14. Juli, Russland bereite sich auf begrenzte regionale Kriege in Europa vor. Das haben ein Politikwissenschaftler und ein Ex-General gegenüber der Zeitung behauptet. Gegenüber Sputnik haben Experten deren Aussagen widerlegt.
„Russland bereite sich auf regionale Kriege in Europa vor“ – das behauptete die „Welt am Sonntag“ („WamS“) auf Seite 1 ihrer gedruckten Ausgabe vom 14. Juli. Das „Springer“-Blatt berief sich dabei auf den Politikwissenschaftler Joachim Krause aus Kiel und den ehemaligen Bundeswehr-General Heinrich Brauß. Krause behauptete danach, Russland bereite sich „völlig unprovoziert“ auf regionale Kriege in Europa vor, „die es mit Hilfe von Kernwaffendrohungen siegreich beenden will“. Ex-Militär Brauß meinte laut „WamS“, Russlands strategisches Konzept habe das Ziel, „Kriege an der europäischen Peripherie führen und erfolgreich zu Ende bringen zu können“.
Solche Meinungen ließen sich schnell als realitätsfremd abtun, wenn die beiden Stichwortgeber ohne Einfluss wären. Doch Krause ist Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und arbeitete zuvor als stellvertretender Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Bei dieser „Denkfabrik“ der deutschen Transatlantiker ist der ehemalige Generalleutnant Brauß nun aktiv. Vor seinem Ruhestand war er von 2013 bis 2018 Beigeordneter Generalsekretär der Nato für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung und damit verantwortlich für die Nato-Strategie. Beide hatten im Mai in Heft 2/2019 der außenpolitischen Zeitschrift „Sirius“ einen Beitrag veröffentlicht, in dem sie fragten: „Was will Russland mit den vielen Mittelstreckenwaffen?“
Ende des INF-Vertrages
Ausgangspunkt der Behauptungen ist das offizielle Ende des INF-Vertrages zu den nuklearen Mittelstreckenraketen zwischen den USA und Russland am 2. August dieses Jahres. Die USA hatten den Vertrag von 1988 gekündigt und das mit russischen Verstößen begründet. In dem Abkommen ist vereinbart, eventuelle Verstöße durch Vor-Ort-Kontrollen zu überprüfen. Eine entsprechende Einladung Moskaus hatte Washington aber gar nicht angenommen.
Krause und Brauß haben wie die Nato, einschließlich der Bundesregierung, die US-Vorwürfe übernommen. Sie behaupten nun in ihrem Text, die russische Rüstung basiere auf dem Konzept, „Kriege an der europäischen Peripherie führen und erfolgreich zu Ende bringen zu können (einschließlich mit durch Nuklearwaffen untermauerter Eskalationsdominanz)“.
Die Nato plane angeblich nicht, „einen Krieg gegen Russland aus dessen Peripherie heraus zu führen. Deshalb werten die Autoren die russischen Maßnahmen als Versuch, „für von Moskau initiierte regional begrenzte Kriege im baltischen Raum oder in der Schwarzmeerregion die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die NATO nicht eingreift und so die Abschreckung der NATO unterlaufen werden kann.“
Berlin im Ziel von Russlands Raketen?
Der „WamS“-Beitrag ist mit einer Karte garniert, die die Reichweiten russischer Raketen wie die des in Kaliningrad stationierten Typs „Iskander“ zeigen soll. Diese würden „direkt Städte wie Berlin und Warschau“ bedrohen, so „WamS“-Redakteur Thorsten Jungholt. In der Karte sind die Standorte westlicher Atomwaffen und der angeblichen US-Raketenabwehr dagegen ohne die entsprechenden Reichweiten eingezeichnet.
Das „Springer“-Blatt gibt wieder, was Krause und Brauß von der Bundesregierung fordern: Nämlich die Nato-Ziele von mehr Geld für Rüstung zu erfüllen. Die meisten Nato-Staaten würden angesichts des INF-Vertragsendes eine Debatte um neue landgestützte Atomraketen „scheuen“, bedauert Jungholt. Er zitiert Brauß und Krause, die es „befremdlich“ finden, dass die Bundesregierung „trotz der durch das Auslaufen des INF-Vertrags markierten rüstungspolitischen Zeitenwende die notwendigen Mittel nicht bereitstelle“.
Politikwissenschaftler und Ex-General wie auch den „WamS“-Redakteur scheinen bei ihrem Appell zu mehr westlicher Aufrüstung nicht zu stören, was die Bundesregierung im Oktober 2018 erklärte: Ihr lägen „keine Erkenntnisse“ über eine tatsächlich bevorstehende militärische Invasion oder auch nur derartige Pläne und Absichten seitens der Russischen Föderation gegen Nato-Mitglieder vor. Das war in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag enthalten.
Hier weiterlesen: https://de.sputniknews.com/politik/20190715325443066-transatlantiker-kriegshetze-gegen-russland/
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