17. September 2018
Im Interview mit RT Deutsch warnte die Direktorin des Forschungszentrums für Seerecht auf Zypern vor einem Teufelskreis, der Griechenland in einen Krieg mit der Türkei treiben könnte. Beide Seiten konkurrieren um die Ausbeutung der Gasreserven Zyperns.
von Ali Özkök, 16.09.2018
Emete Gözügüzelli ist Assistenzprofessorin an der Bahçeşehir Cyprus University. Sie leitet als Direktorin das Forschungszentrum für Seerecht in Nikosia/Lefkoşa.
In Zypern werden große Gasreserven vermutet. Die Türkei und Griechenland sowie ihre Ableger in Zypern konkurrieren darum. Von was für einer Größe ist die Rede?
Im Jahr 2010 schätzte der U.S. Geological Survey, dass das Becken in der Levante potenzielle Reserven von 1,7 Milliarden Barrel förderbarem Öl und circa 3,45 Billionen Kubikmeter förderbarem Erdgas hat, während das Nildelta-Becken 1,8 Milliarden Barrel förderbares Erdöl besitzt. Im Dezember 2011 deutete die erste Bohrung in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Griechenlands auf mögliche fossile Reserven von etwa 141,5 bis 226,5 Milliarden Kubikmeter hin.
Dieses Verhältnis macht die Zukunft der natürlichen Ressourcen Südzyperns sehr komplex. Ägyptische und israelische Partner diskutieren vorwiegend über die Lieferung von israelischem Erdgas über eine Pipeline nach Ägypten. Auf der anderen Seite hat der Libanon seine Offshore-Lizenzrunde abgeschlossen. Auch Libyen ist aktiv, hat aber genügend andere Probleme. Die Türkei und die türkischen Zyprer erklärten schließlich, dass sie mit ihrem Explorationsschiff Fatih zur Bohrung übergehen, wenn sich Griechenland und Griechisch-Zypern gegen eine Kooperation stemmen und diese auf Wunsch Europas blockieren.
Können Sie deutlicher werden? Was meinen Sie mit einer griechischen Blockadehaltung?
Die griechische Haltung erklärt sich, wenn man sich bewusst wird, dass die Europäische Union verzweifelt versucht, ihre Energieversorgung über das östliche Mittelmeer sicherzustellen, um die Abhängigkeit von Erdgas aus Russland zu verringern. Die Region entwickelt sich mit großen Schritten zu einem wichtigen Exportmarkt für Flüssigerdgas (LNG). Darauf setzt Brüssel. Für dieses Ziel ist eine europäische Gasexportstrategie über drei Ecken geplant, also von Israel und Südzypern/Griechenland nach Italien und damit schließlich nach Westeuropa, alles unter Umgehung politisch unliebsamer Staaten.
Die Türkei hingegen agiert unabhängig und betrachtet sich als ein deutlich stabileres, mächtigeres und strategischeres Land als seine Konkurrenz, das eine kostengünstigere Infrastruktur für den Transport möglicher Energieressourcen nach Europa bereitstellen kann. Die Türkei ist ein wichtiger Energieimporteur und entwickelt sich zur Ost-West-Energiebrücke.
Wenn diese Krise weitergeht, kann ich unverhohlen warnen: Diese konfrontativen Aktivitäten werden zu einem Teufelskreis führen und den Konflikt in der Region eskalieren lassen.
Ein wichtiges Grundproblem ist, dass sich die griechisch-zyprische Verwaltung so verhält, als ob die Insel Zypern Festland wäre. Die griechische Seite geht dabei über die Abgrenzung der Ausschließlichen Wirtschaftszone hinaus. Dies ist angesichts der faktischen Umstände am Boden eine provokante Politik, die gegen das Völkerrecht verstößt und die Seerechte der anderen Länder im Mittelmeerraum nicht respektiert.
Die Europäische Union ist wahrscheinlich der wichtigste Partner Griechenlands, das wiederum die Schutzmacht der griechischen Zyprer ist. Wie beurteilt Brüssel die Entwicklung in Zypern?
Die EU ist eine eurozentrische Organisation, die nur auf westlichen Interessen basiert und nur diese berücksichtigt. Brüssel war und ist in der Zypernfrage nicht objektiv. Brüssel konzentriert sich nur darauf, wie es seine Energiesicherheit über die EastMed-Pipeline nach Europa umsetzen und dabei Russland aushebeln kann. Sie setzen ihre Verwestlichung als Modernisierungsprojekt fort.
Hier weiterlesen: https://deutsch.rt.com/europa/76130-griechenland-als-eu-speerspitze-kampf-energie-zypern-krieg/
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