10. Juni 2017
Zu diesem Thema (s. Betreff) hatte ich ja vor einiger Zeit schon mal eine Kritik am „Deutschlandfunk“ über meinen Emailverteiler weitergeleitet. Dieser Sender hat inzwischen reagiert und mir eine – ziemlich windige – Stellungnahme dazu zukommen lassen, die ich hier weitergeben möchte (und zu der ich dann auch Stellung genommen habe, s.u.).
Sehr geehrter Herr Eckel,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zu unserer Nachricht, auf die Sie sich beziehen, gab es morgens um 5 Uhr noch keine weiteren Fakten, auch die Stellungnahme von Herrn Gröhe beispielsweise erfolgte natürlich erst im Laufe des Tages. Besser wäre es vermutlich gewesen, „russisch-sprachige Pflegedienste“ zu schreiben – dies war zum Zeitpunkt unserer Meldung allerdings noch unklar.
Die Quelle dieser Nachricht ist in der Meldung benannt, nämlich BR und „Welt“. Wir haben uns auf deren Bericht berufen und dies auch so kenntlich gemacht.
Mit freundlichen Grüßen,
Ann-Christin Heidrich
( von Herrn Eckel) Dazu meine Antwort:
Sehr geehrte Frau Heidrich,
ich bezog mich nicht auf Ihre Nachrichten von 5 Uhr (am 30.5.), sondern auf gleichlautende Nachrichten vom Vormittag dieses Tages. Und – wie in meiner Email auch steht – auf Formulierungen Ihres Moderators Heckmann aus der Spätabendsendung (nach 23 Uhr). Die Meldung von dlf24-nachrichten (ebenfalls in meiner Email) „Rund 230 russische ambulante Pflegedienste stehen im Verdacht, in Deutschland ein System für Abrechnungsbetrug aufgebaut zu haben“ habe ich dort auch erst am späten Abend gesehen und herauskopiert.
Mit anderen Worten: den ganzen Tag über konnte man von Ihrem Sender die Formulierung „russische Pflegedienste“ hören und sehen.
Der BR schreibt nicht von russischen, sondern von (reichlich ominösen) „russisch-eurasischen Pflegediensten“, vergisst aber – im Unterschied zum DLF – nicht zu erwähnen, dass „einige“ der betroffenen Unternehmen einem „Betrugsnetzwerk“ mit „Verbindungen zur Organisierten Kriminalität“ angehören sollen. Ermittelt werde u.a. „wegen der Einrichtung von Scheinfirmen im In-und Ausland, wegen des Verdachts der Geldwäsche oder enger Verflechtungen zur Glücksspielbranche.“ Weiter schreibt der BR: „Unter ehemaligen Firmenbetreibern sollen außerdem auch Personen sein, die von den Behörden in anderem Zusammenhang als Auftragsmörder verdächtigt werden.“
Das fällt bei Ihnen also alles unter den Oberbegriff „russische Pflegedienste“? Wie ich Ihrem Sender schon schrieb, ist meines Wissens über die Urheber nur soviel bekannt, dass sie aus der Ukraine stammen. Während dem DLF z.B. hinsichtlich einer angeblichen „Annexion“ der Krim (die in Wahrheit einen per Referendum abgestimmten Beitritt zu Russischen Föderation darstellte) die Unterscheidung Russland – Ukraine immer sehr wichtig war und ist, spielt sie in diesem Fall offenbar überhaupt keine Rolle mehr. Es geht eben tatsächlich beim DLF immer nur und immer wieder um antirussische Hetze.
Zum Artikel in der Welt: darin wird ähnlich unsauber argumentiert wie im „Deutschlandfunk“ (was mich bei diese Springer-Zeitung aber auch nicht besonders wundert. So habe ich für eine Umweltschutzorganisation mal eine Weile die Presseschau erstellt und musste dabei leider immer wieder feststellen, dass in der „Welt“ Sachverhalte unrichtig oder sogar regelrecht verdreht wiedergegeben wurden. Erstaunlich, dass der „Deutschlandfunk“ ausgerechnet diese Zeitung als Referenz betrachtet…).
Konkret: Im Welt-Artikel ist zunächst von „Pflege-Mafia“ die Rede, dann von „unseriöse(n) Pflegedienste(n)“, die angeblich „meist aus Russland“ kommen sollen. Dann handelt es sich plötzlich um „osteuropäische Firmen“, die dieses Geschäft schon seit Jahren betreiben. Laut Welt stecken „organisierte Banden dahinter, deren Spuren sich bis nach Russland zurückverfolgen lassen“. Zitiert wird auch eine Auswertung der Erkenntnisse von Mitarbeitern von Landeskriminalämtern: „Das Phänomen tritt insbesondere dort auf, wo sich durch Sprachgruppen geschlossene soziale Systeme bilden, also vorwiegend in Regionen mit einem hohen Bevölkerungsanteil an russischsprachigen oder -stämmigen Personen“. Anschließend folgt wieder ein relativ ominöser Satz: ‚Das BKA verfügt dem Papier zufolge in Einzelfällen über Informationen, „laut denen die Investition in russische ambulante Pflegedienste ein Geschäftsfeld russisch-eurasischer Organisierter Kriminalität ist‘ „. Was „russisch-eurasische Kriminalität“ genau bedeutet, wird auch hier leider in keiner Weise erklärt. Stattdessen wird wieder ein Bezug zu Russland gesucht bzw. schon fast konstruiert:
Die Spur führte in diesen Fällen anscheinend zu einem Netzwerk organisierter Kriminalität, das in Russland viel Macht besitzt: den „Dieben im Gesetz“ (Hervorhebungen von mir, H.E.)
Offenbar besitzt dieses „Netzwerk organisierter Kriminalität“ nicht nur in Russland „viel Macht“, sondern auch bei uns, denn: Diese mafiaähnliche Gruppierung ist seit Jahrzehnten auch im Ausland aktiv. …
In vielen Fällen gibt es Verbindungen der Banden nach Berlin. So etwa beim Pflegedienst „Möwe“, in dem derzeit die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt. Diese ließ im Juni 2015 die Büros der Firma durchsuchen, mehrere aus der Ukraine stammende Gesellschafter und leitende Mitarbeiter wurden wegen des Verdachts auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug festgenommen.
Also doch nicht Russland, sondern vielmehr die Ukraine (wie ich ja bereits schrieb). Dass solche Netzwerke nicht an Ländergrenzen Halt machen, versteht sich ja wohl von selbst, aber der Welt reicht offenbar schon eine „Spur“ (s.o.) von deren Aktivitäten in einem der betroffenen Länder, um das Ganze nach Russland zu verlegen – ähnlich wie dem „Deutschlandfunk“.
Dass – nach anderen Informationen – die Tatverdächtigen deutsche Pässe haben sollen, war übrigens weder der Welt noch dem „Deutschlandfunk“ eine Meldung wert.
Abschließend noch eine Bemerkung: schon bevor ich (am Vormittag des 30.5.) im „Deutschlandfunk“ die wiederholte Meldung von den „russischen“ Pflegediensten hörte, war beispielsweise im Inforadio des RBB von „russischsprachigen Pflegediensten“ die Rede. Und das ZDF erwähnte in seiner „Heute“ Sendung vom gleichen Tag immerhin auch ausdrücklich die Ukraine (und Kasachstan).
Also, es geht doch, zumindest ansatzweise. Nur eben nicht beim „Deutschlandfunk“.
Freundliche Grüße
Heinz Eckel
P.S. wussten Sie eigentlich schon, dass die Ukraine auch „russischsprachig“ ist?!
P.S. 2: zu den „Dieben im Gesetz“ schreibt beispielsweise Wikipedia u.a.:
Die „Diebe im Gesetz“ kommen nicht nur aus Russland, sondern auch aus der Ukraine, Weißrussland, Aserbaidschan, Armenien, Georgien oder anderen ehemaligen Unionsrepubliken (der ehemaligen Sowjetunion, H.E.)
Woran man auch die unsaubere Machart des „Deutschlandfunk“-Referenzblattes „Welt“ erkennen kann: es steht zwar nicht ausdrücklich im Welt-Artikel drin, soll aber offenbar mit der verwendeten Formulierung doch suggeriert werden: der Kern des Bösen schlechthin liegt mal wieder – ja wo wohl??? natürlich in „Russland“.
P.S.3 auch diese Email geht wieder über den selben Verteiler wie meine vorhergehende Kritik.
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